Eulenspiegel ist ein Unikum. Oder mehr noch, er ist seine eigene Gattung. Ihn sticht fortwährend der Hafer. Die Idealisierung zum Aufklärer, der seinen Zeitgenossen den Spiegel vorhält, um sie gescheiter, vorurteilsfreier zu machen, hält bei einer genauen Verfolgung seiner Geschichten nicht stand. Ja öfter sogar, muss man sagen, wandelt er auf kriminellen Pfaden. Und ziemlich oft auf „Fäkalienpfaden“, mit unangenehmen, unappetitlichen Details. Gnade hat Till Eulenspiegel für niemanden. (Ausnahme: die zwölf blinden Mönche, die durch seine Schuld eingesperrt werden.) Er ist eben „der Erzschalk“. Er braucht für seine Mutwilligkeiten und Späße keine Begründungen oder Motive. Er ist ein verantwortungsloser Geselle, der sich gerne lustig macht (und uns lachen!) …aber kein Bösewicht.


Bezeichnungen, Namen aus dem norddeutschen 16. Jahrhundert:
ad licentiaturam – Prüfung zum akademischen Grade des Lizentiaten
Albe – Taufgewand, Tunika
Beguine – weltliche Nonne (ohne Kloster) (Gemeindeschwester?)
beuteln – aussieben
Bisam – Moschus(duft)
bös Geschrei – schlechter Ruf
Bretlöcher – vermutlich Astlöcher in Brettern. Aber das Grimmsche Wörterbuch bezieht sich dummerweise auf genau jene Stelle im Eulenspiegel und ist sich selber nicht sicher.
Collation – Imbiss, Frühstück
dauchte – deuchte sich, dünkte sich, dachte bei sich
Discipel – der/die/das zu Belehrende
dritter Ort – Ort zum hofieren
fahen – fangen
Gaden – Hütte, Schuppen
gebahrte er – gebärdete sich
genas – Kinder werden heute geboren, früher genas die Frau ihre Kinder.
Glimpf – glimpflich davonkommen, mit relativ geringem Schaden davonkommen.
Groschen – Zehnpfennigstück, zehntel Mark
Haber – Hafer
Heimburgin – Frau des Gemeindevorstehers
hofieren – Euphemismus für cacare in den Abtritt im Hinterhof, dem „dritten Ort“.
Hurt – Geflecht zum Wolle schlagen
kathedrieren – belehren?
Knittel – Knüppel
kritzen – Grimassen schneiden, grinsen
Kumme – tiefe Schüssel
Lecker – Schlingel, Schalk
Legel – großer Tragekorb
Lotterholz – das „Szepter“ des Narren
ludern – locken, Lockspeise vorlegen
Muhme – Tante oder auch Cousine
Oponiones – Meinungen
Pedell – Hilfskraft auf Ämtern, besonders Universitäten
Purgantz – Abführmittel
Seihkorb – eyn korp da man milch o. most durchsyhet.
plessen – flicken
Schamlot – Wollstoff
Schelmengrube – in die kamen tote Pferde usw und vielleicht auch der Dung der Bürger.
Schmicke – Gerte, Rute
Schock – Mengenmaß, mal 60 Stück, mal 20, mal einfach nur als ungefähre Menge.
schwieren, Schwarte – von “Geschwür“
Sigrist – Küster
Stübchen – Maß für Bier und Wein, je nach Region 3-4 Liter.
steppen – nähen, stopfen, flicken
tobig werden – anfangen zu toben
Todtenbaum – Sarg
Taufgöte – Taufpatin
Zindal – feines Tuch
“Die deutschen Volksbücher” sind 13 Bände mit darinnen mehr als vierzig Historien, Schwänken und Heldenepen. Ihr Verfasser, oder besser ihr Herausgeber war Karl Simrock, einer der ersten Germanisten im frühen 19. Jahrhundert. Der Begriff “Volksbücher” scheint zu besagen, dass dies Erzählungen, wie die der Märchen der Gebrüder Grimm aus der Volksseele, aus der deutschen Tradition stammen. Aber das ist nicht der Fall. Es sind dies in der Hauptsache Stoffe aller europäischer Länder. Bald nach der Erfindung des Buchdruckes suchten Drucker und Buchhändler nach weiteren Käufern und fanden Stoffe für Bücher in den alten Epen (zB Nibelungenlied, Tristan und Isolde) die für die einfachen Leute nacherzählt wurden. Dies begründete dann jene Tradition von Erzählungen für die Ungebildeten und jene unsterblichen Geschichten von “Till Eulenspiegel”, von dem starken “Siegfried”, den “Schildbürgern” und einigen anderen, die noch in den 60ern als Schulstoff dienten.
Nach den Napoleonischen Kriegen wuchsen in ganz Europa Patriotismen. Deshalb unsere “Nationalliteratur” in diesen Volksbüchern. Es gab auch andere Herausgeber, mit dem selben Geschäftsmodell. Aber Karl Simrock bewahrt am treuesten den barocken Stil der Sprache und ließ sich auch nicht bereden, die Geschichten zu kürzen oder zu glätten.
